An unserer Schule wird jedes Jahr der Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des deutschen Buchhandels in den 6. Klassen durchgeführt. Dabei wird immer wieder mal etwas an der Form verändert. Nach vielen Jahren, die wir zu Gast in der Stadtbücherei sein durften, sind wir nun seit drei Jahren wieder in der Schule. Eine Leserunde mit den Siegerinnen und Siegern der einzelnen Klassen findet vor kleinem Publikum — jedes lesende Kind nimmt eine „Verstärkung“ mit — in der intimen Atmosphäre der Mediathek statt. Zwischen den Bücherregalen ist hier eine gemütliche Leseecke mit Lesepult und Jury-Plätzen hergerichtet. Nach dem Vortrag der eigens vorbereiteten Texte aber müssen die sechs Kandidatinnen und Kandidaten ins kalte Wasser springen: im großen Forum, auf der Bühne lesen sie vor ihrer vollständig versammelten Jahrgangsstufe einen unbekannten Text. Normalerweise. Die meist sechsköpfige Jury besteht aus Lehrkräften der KRG, aus Lemgoer Promis aus Sport und Literatur, und Vertretern der Stadtbücherei. Normalerweise.
Aber die strengen Coronaregeln scheren sich nicht um Vorlesewettbewerbe. Deshalb musste in diesem Jahr die Endrunde ebenfalls ohne großes Publikum stattfinden. Und die Jury wurde zwar wie letztes Jahr angeführt von Axel Koch, dem Leiter der Stadtbücherei und Frau Kahmann als Vorsitzende des Faches Deutsch an unserer Schule, aber andere eingeladene Gäste hatten leider abgesagt. Doch die eingesprungenen Lehrkräfte konnten sich schnell einfügen und erlebten einen spannenden Lese-Kampf.
Man hat schon oft gehört, lesen und besonders vorlesen sei mehr und mehr eine Sache von Mädchen. Das stimmt bei uns überhaupt nicht: fünf Jungen und ein Mädchen, die in ihren Klassen gewonnen hatten, lasen diesmal um die Wette: Robin Breeden (6a), Mariella Brasch (6b), Lasse Vossler (6c), Robert Pieper(6d), Luis Helmig (6e) und Luis Büschemann (6f). Das Rennen war, wie eigentlich fast immer, recht knapp. Dabei waren es wahrhaftig keine Traumbedingungen: Auftreten, Maske abnehmen, lesen, Maske aufsetzen… Mehr als einmal blieben die Worte zunächst vor Aufregung hinter der Maske stecken. Da musste Wettbewerbsleiterin Christina Einsfelder freundlich eingreifen: „Nimm doch erstmal deine Maske ab!“
Beim Lesen des unbekannten Texts hatte am Ende Robert Pieper die besten Nerven und erhielt den Wanderpokal der Schule aus den Händen von Axel Koch, der betonte, dass dieser Vorlesewettbewerb sicher einer der ungewöhnlichsten war, die er bisher erlebt hatte. Robert vertritt nun die Schule auf Kreisebene bei der nächsten Runde des Wettbewerbs, die allerdings aufgrund der Umstände digital stattfindet.
Für die Endrunde hatten die sechs Klassensieger aus vier Buchvorstellungen der Klasse 6e den Jugendbuch-Klassiker „Tintenherz“ von Cornelia Funke als unbekannten Text ausgewählt. Dessen Inhalt ist eigentlich das Programm für jeden Vorlesewettbewerb: Es geht um Menschen, die durch Vorlesen Figuren aus ihren Büchern lebendig machen können.
© P. Schmidt-Rhaesa 2021